3 a) Man sollte sich klar machen, dass die Zeiten ihre ursprünglichen Funktionen, die wir im Kapitel Das Zeitensystem der romanischen Sprachen besprochen haben, teilweise völlig verlieren. Betrachten wir diesen Satz.

Qualcuno bussa alla porta.
Jemand klopft an die Tür.

Es handelt sich nun ziemlich eindeutig um einen punktuellen Vorgang. Punktuelle Vorgänge, darüber haben wir in dem oben genannten Kapitel bereits gesprochen, fransen an den Rändern nicht aus und in einen punktuellen Vorgang kann auch schlecht ein anderer eingebettet sein ("Während das Auto gegen die Wand knallte, las er ein Buch" geht wohl nicht). Folglich ist klar, dass, würde sich die Handlung auf die Vergangenheit beziehen, nur das passato remoto (wenn man sich an die Norm hält) bzw. das passato prossimo (wenn man auf das französische System einschwenkt) verwendet werden kann. In der Vergangenheit muss es also heißen (wir halten uns jetzt an die Norm):

Qualcuno bussò alla porta.
Jemand klopfte an die Tür.


Schauen Sie sich aber die Tabelle oben an, werden Sie feststellen, dass aus dem presente ein imperfetto wird. Steht also das Verb der mentalen Durchdringung in einer Vergangenheitszeit, muss also die Chronologie der Ereignisse neu justiert werden, dann lautet der Satz so.

Lui disse che qualcuno bussava alla porta.
Er sagte, dass jemand an die Tür klopfe.

Wir sehen also, dass das imperfetto hier seine ursprüngliche Funktion vollkommen verloren hat. Außerhalb der consecution temporum kann das imperfetto alles mögliche, eines jedoch kann es normalerweise nie: Es kann keine punktuellen Vorgänge ausdrücken, aber genau das tut es in der consecution temporum. Es drückt jetzt Gleichzeitigkeit aus. Ob wir das nun logisch finden oder nicht, ist völlig egal, denn es gibt keine Alternative. Machen wir uns das nochmal klar. Der ursprüngliche Satz war der:

Qualcuno bussa alla porta. .

Jemand stellt also fest, dass in seiner Gegenwart irgendjemand an die Tür klopft, er berichtet es also in dem Moment, in dem es auch passiert. Foglich ist, wenn die Aussage von einem Verb der mentalen Durchdringung in der Vergangenheit eingeleitet wird, der Vorgang so zu schildern, dass das Ereignis gleichzeitig zur mentalen Durchdringung abläuft. Dies würde weder das passato remoto noch das trapassato remoto leisten, diese würden das Ereignis als vorzeitig zur mentalen Durchdringung schildern.

Lui disse che qualcuno aveva bussato alla porta.
Er sagte, dass jemand an die Tür geklopft hätte.

Dass der imperfetto nun seine ursprüngliche Funktion verliert, hängt mit der schlichten Tatsache zusammen, dass keine Zeit im Angebot ist, die Gleichzeitigkeit in der Vergangenheit ausdrücken kann. Es ist egal, welche Zeit diese Funktion übernimmt, es ist immer unlogisch. Die romanischen Sprachen haben sich jetzt aber für den imperfetto entschieden.

3 b) das passato remoto drückt Vorzeitigkeit und nicht mehr Nachzeitigkeit aus

Folgen mehrere, punktuelle Handlungen aufeinander, dann konstruiert das Italienische, so man sich an die Norm hält, mit dem passato remoto. Es ist logisch, dass das imperfetto für diesen Zweck nicht genutzt werden kann, denn dieses beschreibt Handlungen, die an den Rändern ausfransen. Folgen aber mehrere Handlungen aufeinander, dann fransen sie natürlich nicht aus, ist die eine beendet, fängt die nächste an.

Bussò alla porta, entrò e ci fece un segno con la mano.
Er klopfte, trat ein und gab uns mit der Hand ein Zeichen.

Wir sehen also, dass das passato remoto aufeinanderfolgende Handlungen beschreibt. In der Zeitenfolge jedoch beschreibt es Vorzeitigkeit. Betrachten wir diesen Satz.

Lei lavorò molto.
Sie arbeitet viel.

Wir haben also einen abgeschlossenen Vorgang in abgeschlossener Vergangenheit. Bevor irgendjemand in seiner jeweiligen Gegenwart diese Aussage macht, hat irgendjemand anderes viel gearbeitet, tut dies jedoch in der jeweiligen Gegenwart nicht mehr. Wir entnehmen dem Schema oben, dass das passato remoto entweder ein passato remoto bleibt oder zu einem passato trapassato wird. Wir haben also zwei Möglichkeiten.

Lui disse che lei lavorò molto.
Lui disse che lei aveva lavorato molto.
Er sagte, dass sie viel gearbeitet hätte.

In beiden Varianten wird aber Vorzeitigkeit ausgesdrückt. Bevor der eine den Vorgang mental durchdringt, hat sie viel gearbeitet. (Er sagt es also nicht und sie arbeitet dann, sondern zuerst arbeitet sie und dann sagt er es.)

3 c) c) das condizionale beschreibt eine Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit

Die dritte Zeit, die in der Logik der Zeitenfolge ihre ursprüngliche Funktion vollkommen verliert, ist der condizionale. Das ist im übrigen im Deutschen genau so.

Ich gehe nach Italien.
=> Er sagte, dass er nach Italien gehen würde.
Ich gehe nach Italien.
=> Er glaubte, dass er nach Italien gehen würde.


Die dahinter stehende Logik ist zwar eine andere, aber das Ergebnis ist das gleiche, wie im Italienischen. Im Deutschen verwenden wir in der indirekten Rede (sagen) und bei einzelnen Verben der mentalen Durchdringung (glauben) den Konjunktiv und der Konjunktiv von "werde" ist nun mal "würde". Die Funktion Irrealität auszudrücken, hat dieses "würde" hier also gar nicht. "Würde" beschreibt hier eine Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit.

ACHTUNG ! Eine Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit steht im Italienischen im condizionale II ("...avrebbe fatto"). Es ist also nicht wie im Spanischen oder Italienischen, wo das Futur I zum Konditional I wird. Im Italienischen wird aus dem Futur aus der Sicht der Vergangenheit immer ein Konditional II.

Das Italienische konstruiert bei der indirekten Rede nicht mit dem Konjunktiv und im übrigen wird im Italienischen zwischen Konjunktiv und Konditional strikt getrennt, die beiden Modi haben völlig unterschiedliche Funktionen. Dass für die Schilderung eines Ereignisses der Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit der condizionale gewählt wird, müssen wir jetzt einfach so hinnehmen, es ist auch ein äußerst stabiles System, ist in allen romanischen Sprachen so. Klar ist aber, dass er keine Irrealität ausdrückt.

Lui farà una sciocchezza.
Er wird eine Dummheit machen.
Lei pensava che lui avrebbe fatto una sciocchezza.
Sie dachte, dass er eine Dummheit machen würde.

Je nachdem wie der Satz allerdings weitergeht, kann er Realität oder Irrealität beschreiben.

Lei pensava che lui avrebbe fatto una scioccheza, ma tutto è andato bene.
Sie dachte, dass er eine Dummheit machen würde, aber alles ist gut gegangen.
Lei pensava che lui avrebbe fatto una sciocchezza, ma alla fine non fece niente.
Sie dachte, er würde eine Dummheit machen, aber schlussendlich hat er nichts gemacht.

Weiter kann auch ein normaler Bedingunssatz angeschlossen werden.

Lei pensava che lui avrebbe fatto una sciocchezza se non lo avessimo aiutato.
Sie dachte, dass er eine Dummheit begehen würde, wenn wir ihm nicht helfen würden.





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